Sadama und ihre Familie nehmen mich äußerst gastfreundlich bei sich zu Hause auf - mit einem frischen Blumenstrauß in meinem Zimmer und einem Festessen: einem riesigen Schweinebein, das vom Vater im Hof in kleine Stücke gehackt und von der Mutter liebevoll verkocht wurde. Gottseidank hatte ich Sadama schon zuvor gesagt, dass ich kein Fleisch esse, sonst hätte ich aus Höflichkeit da wohl mitschmausen müssen....
Das Leben in einem Mosuo-Haushalt war für mich in vielerlei Hinsicht wieder eine neue, einzigartige Erfahrung.
Die Mosuo leben nämlich noch das Matriarchat - als einzige bzw eine von ganz wenigen Kulturen weltweit. D.h. eine Frau ist Oberhaupt der Familie, sie hat das letzte Wort bei allen wichtigen Entscheidungen - für sämtliche Familienmitglieder. Männer bleiben ihr Leben lang bei der Familie ihrer Mutter und besuchen ihre Frau/Geliebte nur über Nacht ("Besuchsehe"). Um die Kinder einer Frau kümmern sich jeweils deren Onkel (also die Brüder der Frau). So wie Sadama mir das erklärt, macht dieses System durchaus Sinn: es leben nur Blutsverwandte in einem Haushalt, wodurch es mehr Zusammenhalt gibt ("Bluat is dicker als Wasser" sagt man ja auch bei uns), und dadurch, dass Familien nicht verheiratet werden hat eine Liebesbeziehung keinerlei materiellen bzw Status-Aspekte. Viele Paare sind ein Leben lang zusammen, andere trennen sich eben - problemlos! - wenn's nicht mehr passt.
Die Häuser der Mosuo, die ich kenne, sind im Quadrat um einen Innenhof gebaut, zumeist aus Holz wie Blockhäuser, mit mehreren Schlafzimmern. In der Küche gibt es eine offene (!!!) Feuerstelle, auf der auf einem Metallgestell gekocht wird. Fenster gibt es keine, nur ein paar Lichtluken im Dach. Und wichtig: der Hausaltar!! (Mosuo sind Buddhisten).
Die Familien halten Schweine, Hühner und Gänse und bauen Mais, Kartoffeln und Gemüse an.
Einen Vormittag habe ich bei der Maisernte geholfen. Hier werden die Maispflanzen alle händisch mit der Sichel geschnitten und dann die Kolben händisch von den Pflanzen gerissen und gesäubert. Die ganze Familie hilft mit, dafür gibt's dann a ordentliche Jause! (Mit Bier - um halb elf 😉)
Groteskerweise habe ich an genau diesem Tag gelesen, dass China ab 2017 eine permanente Raumstation betreiben will - während hier der Mais zu 100% händisch geerntet wird...
Eine weitere Unglaublichkeit für mich ist, dass die 27-jährige Sadama nie eine Schule besucht hat, genau wie ihre Mutter und Großmutter, aber eine Frau Jahrgang 1989?!?!?! Nachdem sie als äußerst aufgewecktes Mädchen von Ingrid vor 15 Jahren hier "entdeckt" wurde, kam sie zu einer chinesischen Englischlehrerin in Lijiang, bei der sie Chinesisch und Englisch gelernt hat, und zwar so gut, dass ich nach über 10 Jahren Berufserfahrung mit zumeist "studierten" Chinesen sagen kann, dass Sadama mit Abstand am besten Englisch spricht - obwohl sie kein Wort in Englisch lesen kann!!
Durch sie habe ich in den sechs gemeinsamen Tagen wahnsinnig viel Einblick in die Kultur der Mosuo (und auch der Han-Chinesen) bekommen - durch Erklärungen vieler Hintergründe, bei unzähligen Familien- und Bekanntenbesuchen mit Essen, Trinken und Gesang und bei einer äußerst interessanten Teeverkostung bei ihrem hochrangigen Chef vom Sichuan-Tourismusbüro.
Hier gleich ein bisschen Werbung: wer dies auch kennenlernen möchte: Sadama möchte zukünftig vermehrt westliche Touristen begleiten - speziell in Sichuan und Yunnan, aber auch im Rest von China. Sie sagte mir, dass sie das für ein freiwilliges Trinkgeld und Begleichung ihrer Spesen gern macht, weil sie selber gern reist und mit Ausländern Englisch sprechen kann. Bei Interesse bitte Bescheid geben!!!
Westliche Touristen hab ich am Lugu Lake nur EINEN einzigen gesehen, wirklich unglaublich bei dieser landschaftlichen Schönheit und der Eigenheit der Mosuo-Kultur!
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